Future Organisation Sprint

Christine Kirbach vom red lab in Berlin hat mich eingeladen am Future Organization Sprint teilzunehmen.

Die Idee war, Leute zusammenzubringen, die in ihrem Alltag damit beschäftigt sind, Menschen auf dem Weg zum neuen Arbeiten zu begleiten und dabei in ihren jeweiligen Unternehmen große Veränderungen mitzugestalten.

Im red lab in Berlin haben wir einen ganzen Tag lang intensiv darüber gesprochen und diskutiert, was wir auf dieser Reise bisher erlebt haben.

Anders, als bei den großen Konferenzen, ging es dabei nicht darum, uns gegenseitig zu erzählen, welche tollen Erfolge wir erzielen konnten und uns gegenseitig zu feiern. Wir haben stattdessen echte Erfahrungen ausgetauscht. Erfolge und Flops. Perspektiven aus ganz unterschiedlichen Unternehmen. Vom Konzern mit fast 250.000 Mitarbeitern auf allen Kontinenten bis zum Start-Up mit nicht einmal 100 Mitarbeitern in einem Büro.

Las Vegas in Berlin

Wir haben vereinbart, dass wir sehr offen miteinander reden und dass deshalb die Las Vegas Regel für das Treffen gelten soll. Es sollte aber dennoch erlaubt sein, öffentlich über die Veranstaltung zu schreiben und zu sprechen.

Die Las Vegas Regel hat ihren Namen von dem Spruch „What happens in Vegas stays in Vegas!“. Es wird also Stillschweigen über das Erlebte vereinbart und gewahrt und so ein sehr offener Umgang miteinander ermöglicht.

Deshalb werde ich hier nicht erzählen, welche Unternehmen dabei gewesen sind und wie wir zu unseren Erkenntnissen gekommen sind. Aber ein paar wesentliche Ergebnisse möchte ich dennoch hier anonymisiert teilen.

Transformation ist anspruchsvoll

Egal ob kleines aus einem Konzern hervorgegangenes Start-Up oder Weltkonzern, der Weg vom klassisch strukturierten Unternehmen zu agilen Arbeitsweisen ist überall ähnlich schwierig. Lediglich die zahlenmäßigen Dimensionen und damit die Dauer des Prozesses unterscheiden sich.

Spannend war für mich die Erkenntnis, dass ein vollständig agil gestartetes Start-Up mit Erreichen einer Größe von deutlich über tausend Mitarbeitern nun damit zu kämpfen hat, dass diese nach Strukturen greifen, wie wir sie in unseren Konzernen abzuschaffen versuchen. „Wir brauchen mehr Struktur“ wird anscheinend leicht gleichgesetzt mit konzerntypischen Silos und „geregelten“ Prozessen.

Ich fühlte mich an ein Pendel erinnert, das mal in die eine und mal in die andere Richtung über das Ziel hinausschießt, bevor es sich irgendwann im Zentrum einpendelt. Unglücklicherweise ist anders als bei physikalischen Pendeln das Ziel einer Unternehmenstransformation – das Zentrum der Pendelbewegung – nicht so einfach zu bestimmen. Es liegt nämlich nicht zwingend genau in der Mitte der Ausschläge.

Transformation beginnt ganz oben

Jedenfalls dann, wenn sie erfolgreich sein soll. Die Unternehmen, bei denen der Vorstand, die Geschäftsführung (oder wie auch immer diejenigen an der Spitze der Hierarchien genannt werden) hinter der Veränderung steht und sie auch selbst aktiv mitgeht sind deutlich erfolgreicher auf ihrem Weg. Grasroot Bewegungen entwickeln zwar teilweise starke Kräfte und können viel bewegen. Ohne Unterstützung von ganz oben stoßen sie aber immer wieder an gläserne Decken, die sie nicht durchbrechen können. Am Ende erschaffen sie maximal agile Inseln in einem klassischen Ozean.

Hilfreich ist es zusätzlich, wenn sich Menschen im Unternehmen finden, die immer mal ein bisschen über das Ziel ihres Auftrages hinausschießen und sich dort umsehen. Diese teilweise Selbstbeauftragung in einem Umfeld, wo die Geschäftsführung hinter der generellen Idee steht und sie unterstützt, kann den Prozess positiv beeinflussen und mutig ganz neue Dinge möglich machen.

Team-Agilität versus Business-Agilität

Die klassischen Konzerne starten überwiegend damit Teams zum agilen Arbeiten zu bewegen und so lauter agile Inseln zu schaffen, die viel Performance damit verlieren, wie sie zusammenarbeiten. Sie arbeiten nämlich eher nicht zusammen, sondern nebeneinander her.

Agil gestartete Start-Ups beherrschen das agile Zusammenarbeiten über Funktionsbereiche hinweg dagegen sehr gut, haben dafür aber mit Teams zu kämpfen, die „erwachsen“ sein wollen und daher mehr und mehr klassisch arbeiten und dadurch nicht ausreichend flexibel auf schnelle Veränderungen reagieren können.

Es braucht also beides: Agile Teams, die auch agil miteinander vernetzt arbeiten. Team-Agilität und Business-Agilität.

Kultur ist der Schlüssel zum Erfolg

Wir waren uns einig, dass nicht Methoden, Modelle und Tools den Erfolg bringen, sondern die Haltung der beteiligten Menschen. Leider kann man die nicht ausrollen oder implementieren. Die Menschen müssen von sich aus ihre Haltung verändern. Wir können lediglich den Rahmen so gestalten, dass sich die gewünschte Kultur am Ende einstellt. Kultur ist wie ein Schatten. Sie kann nicht direkt beeinflusst werden.

Nicht wollen und nicht können

Nicht alle Menschen werden bereit sein, sich auf die Veränderungen einzulassen, die die neue Kultur mit sich bringt. Wir müssen uns also darauf einstellen, ein paar von ihnen zu verlieren. Einig waren wir uns darüber, dass zwischen Menschen, die sich zwar verändern wollen, aber nicht können und denen, die nicht wollen zu unterscheiden. Erstere sollten an die Hand genommen und aktiv unterstützt werden, um doch noch den Weg mitgehen zu können. Letztere werden schlussendlich das Unternehmen verlassen. Auch dabei gibt es Möglichkeiten sie zu unterstützen.

Für diese Unterstützung braucht es natürlich Menschen, die entsprechend ausgebildet sind und die nötige Zeit haben, diese Ausbildung auch wirksam einzusetzen. Interessant wie unterschiedlich viele Agile Coaches (oder vergleichbare Rollen) für die Mitarbeiter in den Unternehmen da sind: Mal kommt einer auf 10 Mitarbeiter mal sind es eher etwas über 100 Mitarbeiter je Coach und in seltenen Fällen ist der Schlüssel sogar noch viel niedriger.

Schwabbelmonster und einfache Sprache

Eine Teilnehmerin hat einen schönen Vergleich gebracht. Sie sagt, ein großes Unternehmen ist wie ein Schwabbelmonster. Es kann nicht gesteuert werden. Wir können es nur kitzeln. Und wenn wir dabei die richtigen Stellen erwischen, dann wird es sich dorthin bewegen, wo wir es gerne haben möchten.

In unserem Kreis war eine Teilnehmerin aus einem Unternehmen, das vor nicht allzu langer Zeit von einem anderen gekauft wurde. Sie erzählte davon, wie dieser neue Eigentümer nun versucht seine Prozesse und sein Vokabular zu etablieren. Das fühle sich an wie übergestülpt und würde überhaupt nicht funktionieren. Das scheint der Versuch zu sein, ein Schwabbelmonster zu steuern anstatt es zu kitzeln.

Damit wir beim Kitzeln alle Menschen erreichen und niemanden ausgrenzen, sollten wir eine einfache und allgemein verständliche Sprache verwenden. In unserer Runde ist uns schnell aufgefallen, wie viele Fachbegriffe und Abkürzungen wir ständig verwenden, die für uns schon vollkommen normal sind. Nicht aber für alle unsere Kollegen.


Fazit

Es war ein spannender, unterhaltsamer und lehrreicher Tag. Längst nicht alles war neu für mich, aber zu erleben, dass auch andere Unternehmen mit ganz ähnlichen Herausforderungen zu kämpfen haben, wie wir, war sehr beruhigend. Spannend auch zu sehen, wie sich traditionell geprägte Konzerne und von Anfang an agile Start-Ups aufeinander zu bewegen und dabei bei vielen Menschen der Gedanke entsteht, dass die jeweils anderen das Idealbild darstellen. So fragen Mitarbeiter in Start-Ups nach Konzernstrukturen und Mitarbeiter in Konzernen wollen die Hierarchien abschaffen. Die Lösung liegt vermutlich irgendwo dazwischen, ist für jedes Unternehmen anders und ich bin sehr gespannt, wohin uns die Reise führt.


Unser Tag in Berlin hat sehr davon profitiert, dass wir so unterschiedliche Menschen aus ganz unterschiedlichen Unternehmen gewesen sind. Ein Muster, dass sich im agilen Kontext immer wieder finden lässt: Vielfältig besetzte Teams funktionieren in der Regel am besten! 

 

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