Warum überhaupt „agil“?

In den letzten Wochen habe ich sehr viel über agiles Arbeiten, agile Haltung und agile Methoden geschrieben. Aber warum das alles? Was soll dieses „agil“? Ist das schon wieder so eine Sau, die durchs Dorf getrieben wird? Geht das wieder weg?

 

Nö!

 

Agilität ist nicht neu und wird uns ganz sicher noch eine ganze Weile begleiten.

 

Heute will ich euch erzählen, warum das so ist.

Die Welt ist VUCA

Ja, heute wird es ein paar Akronyme zu lesen geben. VUCA ist eine Abkürzung, die sich die US-Army ausgedacht hat und die unsere heutige Welt sehr gut beschreibt:

V = Volatility / Veränderlichkeit

Unsere Welt ist geprägt von zunehmender Veränderungsgeschwindigkeit. Machen wir mal einen kleinen Ausflug in die Geschichte und gucken uns an, wie lange es jeweils gedauert hat, bis eine Technologie 50 Millionen Nutzer erreicht hat.

Beim Telefon hat das noch 75 Jahre* gedauert. Viel Zeit, sich mit Lautsprechern und Mikrofonen zu beschäftigen, um dann viel später eventuell in das Radiogeschäft einzusteigen. Das Radio hat 38 Jahre gebraucht und auch das Fernsehen hat sich noch 13 Jahre Zeit gelassen, um 50 Millionen Zuschauer zu erreichen. Immer noch Zeit genug, um einige Jahre zu überlegen, ob man als Unternehmen einsteigen möchte oder nicht.

Mit dem sichtbaren Teil des Internets, dem www fing es dann an, schneller zu werden. 4 Jahre hat es sich Zeit gelassen, um 50 Millionen Anwender zu erreichen. Und ging es los: Twitter – 9 Monate, Angry Birds  – 1 Monat und dann Pokèmon Go: 19 Tage hat es gedauert. Und das war nur die Android Welt. Gleichzeitig waren auch schon 25 Mio Anwender mit Apple Geräten unterwegs. Es ging damals so schnell, dass den richtigen Zeitpunkt mit 50 Millionen niemand so recht mitbekommen hat.

Die Geschwindigkeit der Veränderung nimmt exponentiell zu. Etwas, das wir Menschen leider nur sehr schlecht einschätzen können, weil wir es gewohnt sind, linear zu denken.

U – Uncertainty / Unsicherheit

Durch die oben beschriebene exponentielle Beschleunigung ist es sehr schwierig richtig einzuschätzen, welche Player am Markt relevant sind. Immer häufiger werden neue Unternehmen quasi über Nacht (oder zumindest in sehr kurzer Zeit) zu sehr relevanten Wettbewerbern, die vorher niemand in den etablierten Unternehmen so richtig auf dem Schirm hatte.

C – Complexity / Komplexität

Durch diese zunehmende Geschwindigkeit der Veränderung und die wachsende Unsicherheit verändern sich laufend Rahmenbedingungen, was es notwendig macht schneller und häufiger auf diese zu reagieren. Die Einflussfaktoren sind dabei nicht mehr so einfach zu überblicken, wie in den ruhigeren Zeiten der Vergangenheit. Wechselwirkungen nehmen zu und häufigere Kurskorrekturen sind notwendig.

A – Ambiguity / Mehrdeutigkeit

Früher war es in der Regel einen klaren Wirkzusammenhang zwischen Ereignissen herzustellen. Heute geht das häufig nicht mehr. Es passieren einfach zu viele Dinge, die ein Unternehmen nicht mehr selber beeinflussen kann, die aber starken Einfluss auf seine Geschäfte haben. So kann zum Beispiel zeitgleich zu einer vom Unternehmen gesteuerten Aktion ein unabhängiger Influencer ein Produkt promoten ohne dass es die Mitarbeiter des Unternehmens überhaupt mitbekommen. Sie rechnen dann eventuell den Erfolg ihrer eigenen Aktion zu, die aber möglicherweise gar nicht wirklich so erfolgreich war.

Die Antwort lautet VOPA

Bei bonprix antworten wir auf die VUCA Welt mit VOPA. Wieder ein Akronym. Diesmal von Willms Buhse, dem Impulsgeber und Autoren der digitalen Welt (z.B. Management by Internet, 2014). Gucken wir doch einmal, wofür diese Buchstaben stehen.

V – Vernetzung

In einer so komplexen Situation, wie sie durch VUCA beschrieben wird, hat ein einzelner Mensch keine realistische Chance alles alleine zu überblicken. Daher ist es wichtig, sich Unterstützung durch andere zu holen. Vernetzung ist der Schlüssel zum Erfolg. Wenn ich nicht mehr weiter weiß, kennt vielleicht jemand anderes das Fehlende Puzzle-Teil zum Erfolg.

O – Offenheit

Vernetzung funktioniert allerdings nur mit viel Offenheit! Nur wenn ich bereit bin, zuzugeben, dass ich Unterstützung brauche und Hilfe annehme, die mir angeboten wird, profitiere ich von Vernetzung.

P – Partizipation

Durch mehr Offenheit, zum Beispiel durch das Teilen von Informationen im Unternehmen,  werden Mitarbeiter in die Lage versetzt sich aktiv an Entscheidungsprozessen zu beteiligen und eigene Ideen einzubringen. Führungskräfte alleine sind in der komplexen VUCA-Welt nicht mehr in der Lage immer die richtige Entscheidung zu treffen. Ihre Rolle wandelt sich vom besten Spezialisten in ihrem Fachgebiet zum Coach und Begleiter der Mitarbeiter. Ihre Aufgabe ist es nicht mehr Lösungen anzubieten, sondern Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen die Mitarbeiter die richtigen Entscheidungen treffen können.

A – Agilität

Und da kommt sie endlich die Agilität! Früher, als die Welt noch nicht VUCA war, konnte man in Ruhe langfristige Pläne machen und diese dann abarbeiten. Das funktioniert heute häufig nicht mehr. Daher bedient man sich einer agilen Haltung und agiler Prinzipien, wie sie im agilen Manifest von 2001 beschrieben werden und agiler Methoden, die häufig in einem iterativen Ansatz Schritt für Schritt ans Ziel führen. Das Ziel ist dabei oft noch nicht von Anfang an komplett klar, sondern eher als eine Zielwolke definiert, die im Laufe der Zeit und je näher Du dem Ziel kommst immer kleiner wird. Durch dieses Vorgehen ist es möglich im Entstehungsprozess permanent Korrekturen vorzunehmen und so auf Veränderungen im Umfeld zu reagieren.


Tipp

VOPA wird häufig zu VOPA+ ergänzt. Das + steht dabei für Vertrauen. Denn ohne Vertrauen in die Mitarbeiter kann die Führungskraft nicht loslassen und den Mitarbeitern neue Freiräume einräumen. Ohne Vertrauen zur Führungskraft können die Mitarbeiter aber auch nicht riskieren in einem iterativen Prozess in die Irre zu gehen und Fehler zu machen. Vertrauen ist auch wichtig, um offen um Hilfe bitten zu können oder auch ungefragt angebotene Hilfe anzunehmen. Kurz: Ohne Vertrauen wird VOPA nicht funktionieren!


“Wenn wir agil sein wollen, müssen wir da nicht Scrum machen?” In der nächsten Woche erzähle ich, was “agil” und “Scrum” miteinander zu tun haben und beantworte Dir diese Frage!

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* Bitte nagelt mich bei den folgenden Zeitangaben nicht fest. Es gibt unterschiedliche Quellen, mit teilweise ziemlich stark abweichenden Angaben. Es kommt hier eher auf die Idee dahinter an, als auf die exakten Details.

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