Retrospektive

In der letzten Woche habe ich über den Weg zum erfolgreich zusammenarbeitenden Team geschrieben und erzählt, dass dafür regelmäßige Lernmomente wichtig sind.

 

Wenn es eine agile Methode gibt, die wirklich für jedes Team hilfreich sein kann, dann ist das die Retrospektive! Sie schafft genau die Lernmomente, die ein Team braucht. Leider gönnen sich sehr viele Teams diese Momente nicht oder viel zu selten.

 

Heute bekommst Du von mir gezeigt, wie so eine Retrospektive abläuft und Tipps dazu wie Du sie abwechslungsreich gestalten kannst.

Die Retrospektive

Die Retrospektive ist eine relativ einfache Methode zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Team. Jedes Team kann von ihr profitieren. Sie schafft Lernmomente, indem das Team sich gemeinsam Zeit nimmt, um zurück zu blicken, mit dem Ziel nach vorne hinaus besser zu werden.

In der Retrospektive finden die Teammitglieder heraus, was gut funktioniert und was weniger gut. Welche Ideen oder Verhaltensweisen sollten unbedingt beibehalten werden und womit sollte das Team möglichst sofort aufhören? Gibt es Dinge, die verstärkt oder reduziert werden sollten?

Betrachtet wird dabei der Zeitraum seit der letzten Retrospektive oder eine spezifische Situation oder ein Prozess, um daraus zu lernen. Das Ziel zu lernen impliziert, dass nicht nur über Positives gesprochen wird. Auch Negatives sollte explizit Thema einer Retrospektive sein.

Wie oft machen wir eine Retro?

„Natürlich machen wir Retros! Immer im Januar setzen wir uns zusammen, blicken auf das letzte Jahr zurück und planen das neue Jahr.“ Es gibt also einmal im Jahr einen geplanten Lernmoment… Was macht das mit dem Team? Wie groß ist wohl die Bereitschaft Dinge deutlich anders zu machen als bisher, wenn der nächste bekannte Zeitpunkt zur Korrektur solcher Veränderungen ein ganzes Jahr auf sich warten lässt? Sehr wahrscheinlich eher gering! 

In unserer sich immer schneller verändernden Welt voller komplexer Situationen ist aber die Bereitschaft Dinge auszuprobieren und aus Fehlern zu lernen sehr wichtig. Deshalb sollten Retros möglichst häufig stattfinden.
Der Scrum Guide schreibt zum Beispiel Retrospektiven am Ende eines jeden Sprints vor. So ein Sprint dauert eine bis maximal vier Wochen. So entstehen sehr viele Lernmomente und die Folgen einmal getroffener Entscheidungen können sehr kurzfristig beleuchtet und gegebenenfalls korrigiert werden.

Nun arbeitet natürlich längst nicht jedes Team mit Scrum und auch nicht jedes Team ist in einer äußerst komplexen Umgebung zu hause. Aber dennoch bin ich fest davon überzeugt, dass kaum ein Team perfekt und ohne Potential zur Optimierung der Zusammenarbeit arbeitet. Daher empfehle ich gerne den Retro-Rhythmus am Kalender zu orientieren: Eine Retrospektive in jedem Monat dürfte für sehr viele Teams eine gute Idee sein. Wenn das zum Takt Deines Teams nicht passt, passe die Abstände gerne an, aber viel länger als vier Wochen sollte der Abstand zwischen zwei Retros nicht sein.

Spielregeln

Oben habe ich darauf hingewiesen, dass es bei Retrospektiven explizit nicht um einen Kuschelkurs geht, sondern darum dass auch explizit Themen angesprochen werden sollen, die nicht perfekt gelaufen sind.
Damit das gut funktioniert gelten bei meinen Retrospektiven ein paar Spielregeln. Die sind gar nicht so umfangreich und werden vermutlich von fast allen Teams als selbstverständlich angesehen. Aber ich mache sie dennoch sehr gerne vor der Retro explizit.

Dies sind sie:

  • Jeder hat sein Bestes getan!
    Was immer jemand getan hat. Wir gehen davon aus, dass er oder sie das nach bestem Wissen und Gewissen getan hat, um etwas Positives zu bewirken.
  • Für persönliches Feedback halten wir uns an die Regeln des Feedback im Dreiklang.
    – Wir schildern, was wir selbst erlebt oder beobachtet haben.
    – Wir erklären, was das in uns auslöst.
    – Wir geben einen Impuls für das weitere Vorgehen.
  • Es gilt die Las Vegas Regel
    Die beruht auf dem bekannten Spruch „What happens in Vegas, stays in Vegas!“. Damit ist gemeint, dass über die Inhalte der Retrospektive nicht außerhalb des Kreises der Beteiligten gesprochen wird. Es sei denn, es wird in der Retrospektive etwas anderes entschieden.

Der Ablauf

Fünf Phasen

Für Retrospektiven hat es sich bewährt, den Termin in fünf Phasen zu gliedern.

Zum Start geht es darum ein gutes Gesprächsklima zu schaffen. Dazu nutze ich gerne eine Check-In Aufgabe, bei der jeder Teilnehmer der Retro etwas sagen muss. So werden gleich am Anfang alle beteiligt. Das ist gut für die spätere Beteiligung an den nächsten Phasen.

Als nächstes werden Themen gesammelt, über die das Team dann in der dritten Phase sprechen möchte. Dabei geht es darum, diese Themen zu verstehen. Eventuell auch herauszufinden, welche tiefere Ursache hinter einem Symptom zu finden ist.

Schließlich werden Maßnahmen abgeleitet, die dann in der nächsten Retro im Idealfall wieder nachgehalten werden.

Den Abschluss bildet ein Check-Out zum Beispiel mit einem kurzen Feedback zur Retro.

Retromat

Wenn Du Dich jetzt fragst, wie dies Phasen im Detail gestaltet werden können, dann gucke doch mal unter https://retromat.org. Dort gibt es zu jeder der fünf Phasen eine ganze Reihe von Ideen. Einige sogar mit Fotos für Beispiele von vorbereiteten Flipcharts. Das Ganze in sieben Sprachen. Mit diesen Inspirationen lassen sich viele, viele Retrospektiven gestalten, ohne dass sich Dein Team wegen ständiger Wiederholungen langweilt.

Dauer

Und wie lange dauert so eine Retro? Natürlich kann man das nicht ganz pauschal beantworten. Es kommt zum Beispiel darauf an, wie viele Teilnehmer dabei sind, wie häufig ihr Retros macht und um welche Themen es dabei geht.

Kürzer als eine Stunde sollten Retros in der Regel nicht sein. Anderthalb Stunden reichen in den meisten Fällen aus. Gerne vereinbare ich einen Termin für zwei Stunden und plane mit 90 Minuten. So freuen sich meistens alle Teilnehmer über 30 unerwartet freie Minuten. Aber falls gute und wichtige Diskussionen doch einmal mehr Zeit benötigen, muss ich die nicht aus Zeitmangel abwürgen.


Tipp

Durch die Retrospektive führt in der Regel ein Moderator. Für viele Teams scheint es naheliegend, diese Rolle einem Teammitglied zu übertragen. Das ist nicht immer die beste Idee. Der Moderator ist dann in einer schwierigen Doppelrolle als Teilnehmer und Moderator.

Wenn möglich, suche für Dein Team einen Moderator aus einem anderen Team. Der kann sich dann ganz auf die Struktur des Termins und das Zeitmanagement konzentrieren – ganz ohne sich fachlich oder sonstwie inhaltlich einbringen zu müssen.


Jetzt hast Du vielleicht Lust bekommen, Retrospektiven in Deinem Team einzuführen. Aber wie überzeugst Du Dein Team davon? Dafür zeige ich Dir in der nächsten Ausgabe eine Spielidee, mit der Du einen Lernmoment mit viel Spaß schaffen kannst!

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